Es bedurfte nicht erst der öffentlichen Diskussion wegen der Aussagen eines österreichischen Spitzenpolitikers über "lahme (österreichische) Lenden" oder der Veröffentlichung einer aktuellen Eurostat-Statistik(1), um zu wissen: MigrantInnen sind in Österreich unerwünscht!
TATblatt
Die in diversen Medienprodukten von kleinem Format artikulierte Fremdenfeindlichkeit von Herr und Frau ÖsterreicherIn findet auch ihren Niederschlag in gesetzlichen Bestimmungen und deren Auslegung. So etwa gehört es zu den Standardformulierungen in jüngeren Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofs, dass "die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie weniger schwer wiegen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen an der Bekämpfung des Schlepperunwesens und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung".
Was also kann passieren, wenn ich Menschen ohne juristisch einwandfreies Aufenthaltsrecht in Österreich...
Grundsätzlich einmal nicht sehr viel! Die Gewährung einer Unterkunft an sich ist nicht strafbar. Die Bestimmungen des Meldegesetzes sehen vor, dass sich jede Person, die sich für länger als drei Tage einen Aufenthalt nimmt, zu melden hat(2). Diese Meldepflicht trifft jedoch den oder die UnterkunftnehmerIn und fällt nicht unter die Pflichten des oder der UnterkunftgeberIn(3). UnterkunftsgeberInnen sind jedoch verpflichtet, die Behörde in Kenntnis zu setzen, wenn sie binnen 14 Tagen nach Gewährung der Unterkunft begründet vermuten, dass sich UnterkunftsnehmerInnen nicht ordnungsgemäß gemeldet haben(4).
Keine Meldepflicht besteht, wenn eine Unterkunft lediglich für zwei Monate gewährt wird und der oder die UnterkunftnehmerIn anderswo im Bundesgebiet ordentlich gemeldet ist(5). Dabei kann davon ausgegangen werden, dass UnterkunftsgeberInnen nicht verpflichtet sind, sich von der Richtigkeit einer behaupteten Meldung an einem anderen Ort in Österreich zu überzeugen.
Andererseits ist davon auszugehen, dass deutliche Hinweise auf eine längere Aufenthaltsdauer (etwa fehlende Koffer; viele Privatgegenstände der unterkunftsnehmenden Person in der Wohnung), etwaige Unterstützungshandlungen zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts oder zur Ermöglichung eines auch juristisch illegalisierten Aufenthalts der unterkunftnehmenden Person seitens der UnterkunftsgeberInnen eine Anzeige nach dem Meldegesetz nach sich ziehen würden.
*Wer als UnterkunftgeberIn Grund zur Annahme hat, dass eventuelle UnterkunftsnehmerInnen die Bestimmungen des Meldegesetzes nicht beachten und dies nicht binnen zweier Wochen der Behörde meldet, kann mit einer Verwaltungsstrafe von bis zu ATS 5 000,-, im Wiederholungsfall bis zu ATS 15 000,- belegt werden(6).
*Wer sich weigert, der Behörde darüber Auskunft
zu geben, wem er oder sie in den letzten sechs Monaten Unterkunft gewährt
hat, kann mit einer Verwaltungsstrafe von bis zu ATS 10 000,-, im Wiederholungsfall
bis zu ATS 30 000,- belegt werden(7).
In der Praxis kommt es eher selten zu derartigen Überprüfungen. Probleme treten meist dann auf, wenn Bescheide an den/die FremdeN nicht zugestellt werden können. Für eine Anmeldung sind neben dem ausgefüllten Meldezettel Dokumente vorzulegen, aus denen die Identitätsdaten der/des zu Meldenden ersichtlich sind. Bei AsylwerberInnen genügt ein asylrechtlicher oder fremdenrechtlicher Bescheid, da AsylwerberInnen in der Regel keine andere Möglichkeit zum Nachweis ihrer Identität haben. Von der Meldepflicht ausgenommen sind Fremde, denen im Rahmen der Bundesbetreuung in Einrichtungen einer Gebietskörperschaft Unterkunft gewährt wird. Ebenso ausgenommen sind Menschen, die in Untersuchungs- oder Schubhaft angehalten werden. UnterkunftnehmerInnen begehen eine Verwaltungsübertretung(8), wenn sie
*ihrer Meldepflicht nicht nachkommen
*sich melden, obwohl tatsächlich keine Unterkunftnahme erfolgt.
*der Strafrahmen hierbei ist eine Verwaltungsstrafe bis zu ATS 10 000,-, im Wiederholungsfall bis zu ATS 30.000,-.
...bei der Umgehung der Grenzkontrolle begleite oder helfe?
Als im Jahr 1990 eine Strafbestimmung für Schlepperei ins Fremdenpolizeigesetz aufgenommen wurde, richtete sie sich in völliger Unkenntnis der Etymologie (=Grundbedeutung der Wörter, Anm.) nicht gegen die Beförderung von Lasten unter intensivem Körpereinsatz, sondern gegen jene Hilfe für migrierende Menschen, die der westdeutsche Bundesgerichtshof zu Zeiten des alten Ost-Westkonflikts (also bis wenige Monate vor Einführung der Strafbestimmung in Österreich) als "rechtmäßig und den guten Sitten entsprechend" bewertet hatte.
Die Bestimmungen, die jenes "rechtmäßig und den guten Sitten entsprechend(e)" Verhalten in Österreich unter Strafe stellen, wurden inzwischen dreimal verändert und haben sich zu europäischen Unikaten entwickelt: Kein Land Westeuropas erlaubt sich eine derart umfassende, weit auslegbare und gleichzeitig derart ungenaue Definition von Schlepperei!
Tatbildlich ist jede bewusste Unterstützung von Personen, die in Umgehung der Rechtsbestimmungen nach Österreich einreisen wollen(9). Im Unterschied zu Bestimmungen anderer Länder ist es dabei egal, ob diese Unterstützung vor oder nach der österreichischen Grenze gewährt wird.
Beispiel: EinE TaxifahrerIn macht sich bereits strafbar, wenn er oder sie Menschen in Grenznähe befördert, von denen sie/er aus bestimmten Gründen (z.B. schlechte Deutschkenntnisse o.ä.) annehmen kann, dass sie die Grenze unter Umgehung der Grenzkontrollen überschreiten wollen. Österreichisches Spezifikum dabei ist, dass es egal ist, ob dies einE deutscheR TaxlerIn aus Freilassing oder österreichische KollegInnen von Salzburg kommend tun. Im Extremfall könnte wegen Schlepperei bereits verurteilt werden, wer in Österreich eine Landkarte kauft und an Personen weitergibt, von denen der/die EinkäuferIn weiß, dass sie rechtswidrig ein- oder ausreisen wollen.
Trotz dieser - rechtsstaatlich mit Sicherheit bedenklich wenn nicht gar unzulässig - weiten und unklaren Definition der Schlepperei gelingt es den Behörden nur selten und bei Zusammentreffen mehrerer ungünstiger Faktoren, die Weite der gesetzlichen Möglichkeiten zur Erreichung von Verurteilungen österreichischer StaatsbürgerInnen auszunutzen(10).
*Vorsätzliche Schlepperei bzw. die Mitwirkung an dieser ist mit Verwaltungsstrafe bis zu ATS 50 000,- zu bestrafen, sofern der/die SchlepperIn keinen materiellen Vorteil aus ihrer Handlung zieht (also kein Geld o.ä. bekommt)(11).
*Wer dafür Geld bekommt, kann mit Verwaltungsstrafe bis zu ATS 200 000,- belegt werden(12).
*Die Strafen für Schlepperei sind also vergleichsweise gering und führen als Verwaltungsstrafen zu keiner Eintragung ins gerichtliche Strafregister(13).
*Gerichtlich strafbar macht sich, wer "um seines Vorteils willen Schlepperei begeht" und damit entweder mehr als fünf Menschen "geschleppt" hat, oder innerhalb der letzten fünf Jahre bereits einmal wegen Schlepperei verurteilt worden ist. Dabei ist im wesentlichen unerheblich, ob diese Verurteilung von einem Gericht oder im Verwaltungsverfahren, im In- oder Ausland erfolgte(14).
*Die vorgesehene Sanktion: Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.
*Gegen Fremde kann, wenn sie um ihres "Vorteils willen Schlepperei begangen oder an ihr mitgewirkt" haben, ein (unbefristetes!) Aufenthaltsverbot verhängt werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß ihr "Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet" oder anderen in der Menschenrechtskonvention genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft(15).
*Wer Schlepperei gewerbsmäßig begeht, d.h. in Hinsicht auf
die Verschaffung einer regelmäßig wiederkehrenden Einnahme,
muß mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen.
Der Vollständigkeit halber noch ein Verweis auf die Strafbestimmung gegen ausbeuterische Schlepperei, die als Bestandteil des öStGB am 1.3.97 in Kraft getreten ist: Dabei geht es um Vortäuschung von Möglichkeiten, sich in einem anderen Land niederzulassen in Kombination mit entgeltlicher Schlepperei bzw. der Ausbeutung als ArbeiterIn. Fünf Jahre Haft drohen jenen, die dies als Mitglied einer Bande oder einer kriminellen Organisation tun bzw. wenn besonders viele Menschen zu Schaden kommen(16).
Nicht ganz uninteressant noch folgende Glanzleistung, die sich VolksvertreterInnen geleistet haben: Angehörige einer Gruppe, die fortgesetzt Handlungen ausbeuterischer Schlepperei begehen, sind mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zu bestrafen(17). Wer sich jedoch an einer Vereinigung beteiligt, die wiederkehrende (auch einfache) Schlepperei (also ohne Bereicherungsabsicht) begeht oder plant, ist als Mitglied einer kriminellen Vereinigung höher, und zwar mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen(18).
Fremde, deren rechtswidrige Ein- oder Ausreise den Tatbestand darstellt, sind wegen Anstiftung oder Beihilfe zu einer Übertretung nicht strafbar. Sie können nur dann eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung erhalten, wenn sie ihnen nach Asylantragstellung vom Bundesasylamt zuerkannt wird. Ansonsten gibt es keine Möglichkeit, in Österreich einen rechtlich legalen Status zu erlangen.
Hier ist noch anzumerken, daß die Genfer Flüchtlingskonvention besagt, daß Flüchtlinge für die Umgehung von Grenzkontrollen nicht bestraft werden dürfen, in Österreich Strafen jedoch von den Behörden des öfteren verhängt werden (z.B. bei der Asylantragstellung beim Bundesasylamt in Traiskirchen).
Die Begriffe "Schlepperei" bzw. "Ausbeuterische Schlepperei" stehen in unmittelbaren Bezug zur Kriminalisierung in Zusammenhang mit staatlichen Grenzen - ohne die Existenz von Staatsgrenzen könnten diese Delikte gar nicht begangen werden. Bis Mitte der 90er Jahre ist die Anwendungshäufigkeit der Strafvorschriften stark gestiegen. Jährlich wurden etwa 1300 Menschen wegen "Schlepperei" angezeigt, 1996 kam es in nur 143 Fällen zur Verurteilung wegen "Gerichtlich strafbarer Schlepperei".
In den letzten Jahren wird mit immer strengeren strafrechtlichen Mitteln versucht, die heimliche Einreise von Fremden einzudämmen. Mit dem neu geschaffenen Deliktstyp der "Ausbeuterischen Schlepperei" und dessen Einordnung bei Delikten gegen die Freiheit soll der Eindruck eines Schutzes der Geschleppten (also mittelloser Fremder) vor Ausbeutung vermittelt werden. Personen, die tatsächlich ausbeuten, ohne an der rechtswidrigen Einreise beteiligt zu sein, werden nicht bestraft. Die aus dem wohlhabenden Österreich ausgeschlossenen Fremden werden nicht geschützt, sonder ferngehalten, um das sog. "Wirtschafts- und Sozialgefüge der einheimischen Bevölkerung" zu bewahren(19).
...heirate, um ihr oder ihm den Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen?
Heiraten ist nicht verboten und kann auch keine strafrechtlichen Folgen nach sich ziehen, wenn eine Ehe auch nur zum Zweck der Erreichung einer Aufenthaltserlaubnis oder einer Arbeitsbewilligung eingegangen wird. Nach den Bestimmungen des aus Juli 1938 stammenden, heute noch gültigen Ehegesetzes kann die Staatsanwaltschaft jedoch Nichtigkeitsklage erheben, wenn die Ehe ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen wurde, die Staatsangehörigkeit des Ehepartners zu erhalten(20). Dies bringt vor allem Folgen für jenen Eheteil mit sich, der nicht die österreichische StaatsbürgerInnenschaft besitzt. Bereits der Klageerhebung durch die Staatsanwaltschaft(21) kann eine Aufhebung des Aufenthaltsrechts seitens der Fremdenpolizei und die Ausweisung folgen. Zum Aufenthaltsverbot(22) kann eine Schutzehe allerdings nur dann führen, wenn die/der Fremde dafür (egal wem) einen Vermögensvorteil geleistet hat.
Auffallend ist, dass diese Vorgangsweise der Fremdenpolizei zu erstaunlich vielen Bescheidaufhebungen seitens des VfGH führt. Grund: Die Fremdenbehörde wartet nicht das Ergebnis der Nichtigkeitsverfahren ab oder mißachtet oftmals schlicht deren Ausgang. Außerdem ist es der gängigen Judikatur des VfGH folgend der Behörde nicht erlaubt, Erhebungen im höchstpersönlichen Bereich der Betroffenen durchzuführen. Es ist also nicht möglich, etwa medizinisch zu untersuchen, ob die Ehe vollzogen wurde oder in einer Wohnung nach Kontrazeptiva o.ä. zu suchen, die als Beweis des Ehevollzugs angesehen werden könnten.
Von der Staatsanwaltschaft durchgesetzte Ehenichtigkeitserklärungen stützen sich daher stets auf Aussagen der EhepartnerInnen bzw. von ZeugInnen ("Ich habe Geld bekommen"; "Er/Sie hat nie da gewohnt", etc.). Bei entsprechendem Bewusstsein und geringer Vorbereitung kann die Gefahr, solche Aussagen in einem Gerichtsakt vorzufinden, weitgehend ausgeschlossen werden.
Wer gewerbsmäßig, also mehrmals und gegen Geld, Scheinehen vermittelt, kann dafür bis zu einem Jahr Haft aufgebrummt bekommen(23).
Für Angehörige von österreichischen StaatsbürgerInnen aus Drittstaaten (als sog. "Nicht-EWR-BürgerInnen") gilt das Fremdengesetz 1997. Sie haben Rechtsanspruch auf eine Niederlassungsbewilligung. Die Dauer der ersten beiden Niederlassungsbewilligungen beträgt je ein Jahr. Nach 2 weiteren Jahren gemeinsamen Familienlebens (und Ehe) wird die Niederlassungsbewilligung auf Antrag unbefristet ausgestellt. Im Fall der Scheidung haben AusländerInnen nach 5 Jahren Ehe mit ÖsterreicherInnen Anspruch auf einen Befreiungsschein, wenn sie in Österreich bleiben.
Diese Fristen bringen speziell Frauen immer wieder in eine Abhängigkeitsposition. Ein Verfahren mit folgender Scheidung würde zwangsläufig zur Ausweisung führen.
Zur Eheschließung werden folgende Dokumente benötigt: Reisepaß (oder ein anderer Lichtbildausweis), Geburtsurkunde, Meldezettel, Ehefähigkeitszeugnis (= Bestätigung der Botschaft des Herkunftslandes, dass die betreffende Person nicht verheiratet ist oder als Ersatz dafür zwei notariell beglaubigte Bestätigungen durch ZeugInnen).
Aufgrund der Ehe mit einer/m österreichischen StaatsbürgerIn ist die/der Fremde vom Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgenommen und hat Zugang zum Arbeitsmarkt, nach einem Jahr offizieller Lohnarbeit (bzw. bis zum 25. Lebensjahr nach 1/2 Jahr) besteht Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Angehörige von österreichischen StaatsbürgerInnen haben Rechtsanspruch auf eine Niederlassungsbewilligung. Diese kann erst aus einem legalen Aufenthaltsstatus im Inland beantragt werden. Für diesen Antrag muss folgendes nachgewiesen/vorgelegt werden: Unterkunft, Lebensunterhalt, Krankenversicherung, Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, Reisedokument. Bei Nichtvorliegen eines Reisepasses wird die Niederlassungsbewilligung in Bescheidsform ausgestellt.
Eine Ehe kann für den/die PartnerIn den Verlust von Sozialhilfe oder anderen Unterstützungen bedeuten, es bestehen gegenseitige Eheverpflichtungen wie Unterhaltszahlung, die z.T. noch nach der Ehe Gültigkeit haben. Mit einem notariellen Ehevertrag können einige dieser Verpflichtungen ausgeschlossen werden.
Es empfiehlt sich jedenfalls, eine Beratungsstelle für Flüchtlinge und MigrantInnen aufzusuchen (Adressen auf Seite 78).
...ich etwa im Grenzgebiet mir unbekannten Personen, die sich möglicherweise rechtswidrig in Österreich aufhalten, zu essen, zu trinken gebe, Unterkunft gewähre bzw. mit dem Auto in die nächste Stadt mitnehme?
Die Strafbestimmungen gegen Schlepperei beziehen sich auf die Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise und stehen daher in direktem Bezug zum Grenzübertritt. Die Gewährung von Nahrung oder die Mitnahme im Auto kann nicht in diesem Zusammenhang gesehen werden, weil sie völlig unabhängig vom Grenzübertritt und ohne vorherigem Wissen eines solchen erfolgt. Die einzige dazu vorhandene Judikatur stellt auch tatsächlich nicht auf die Mitnahme einer/s AutostopperIn, sondern ausschließlich auf den versuchten Grenzübertritt ab.
Es gibt zur genaueren Definition des Begriffs der Schlepperei in FrG §104 praktisch keine höherinstanzliche Judikatur. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Behörde irgendwann einmal versuchen wird, Unterstützungsleistungen für migrierende Menschen, die ohne direkten Bezug zum Grenzübertritt geboten werden, zu kriminalisieren. Ein solcher Versuch würde aus heutiger, zugegebenerweise recht beschränkter Sicht wahrscheinlich für die Behörde nicht mit Erfolg enden. Wahrscheinlich wäre eher eine Aufhebung des betreffenden Paragraphen im Fremdengesetz wegen Unbestimmtheit und, daraus resultierend, eine Gesetzesverschärfung.
Erstmalig kann dies mit Verwaltungsstrafe zwischen ATS 5000,- und ATS 60 000,- bestraft werden. Im Wiederholungsfall bzw. bei Beschäftigung einer größeren Zahl von Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel kann eine höhere Strafe verhängt werden(24). Für die Behörde schwer nachweisbar sind selbstverständlich Fälle, bei denen Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel etwa für einmalige Arbeiten finanziell entlohnt werden, die üblicherweise im Freundeskreis unentgeltlich erfolgen. Hier bedarf es eindeutiger Aussagen und Geständnisse. Nicht verboten ist es, illegalisiert aufhältigen Personen finanzielle Unterstützungen zukommen zu lassen, solange diese nicht in Zusammenhang mit einem Grenzübertritt stehen.
Bemerkt muss aber noch werden, dass das Ausländerbeschäftigungsgesetz bzw. die entsprechende Judikatur eine Wissenschaft für sich ist. Es trat 1975 in Kraft und wurde in weiterer Folge mehrmals novelliert, besteht aber im Prinzip in seiner ursprünglichen Fassung nach wie vor. "Mit den Novellierungen wurde insbesondere die Höchstgrenze von möglichen beschäftigten AusländerInnen vermindert. Diese sogenannte Bundeshöchstzahl wurde von zehn auf neun Prozent gesenkt. Das AuslbG regelt den Zugang von AusländerInnen zum Arbeitsmarkt. Darin sind drei Stufen der Integration am Arbeitsmarkt vorgesehen. Die erste Stufe ist die Beschäftigungsbewilligung, welche einer Firma ausgestellt wird. Die zweite Stufe ist die Arbeitserlaubnis, welche vom/von der AusländerIn selbst beantragt werden kann und auf ein Bundesland beschränkt ist. Die dritte Stufe heißt Befreiungsschein. Dieser Befreiungsschein bedeutet die freie 'Bewegung' am österreichischen Arbeitsmarkt."(25)
Wird ein Fremder bei Verletzung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (Schwarzarbeit) durch ein Organ des Landesarbeitsamtes oder eines Arbeitsamtes betreten, kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden. Dieses Aufenthaltsverbot darf jedoch nicht erlassen werden, wenn die/der Fremde zwar "formal", aber nicht inhaltlich bei "Schwarzarbeit" betreten wird, wenn sie/er also beispielsweise eine Beschäftigungsbewilligung als KöchIn hat und als KellnerIn betreten wird(26).
Wer eigene Ausweise im Wissen weitergibt, dass von ihnen rechtswidrig Gebrauch gemacht wird, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten zu bestrafen(27). Ebenso ist zu bestrafen, wer fremde Ausweise weitergibt.
Das Herstellen einer falschen Urkunde oder das Verfälschen einer echten Urkunde mit dem Vorsatz, dass sie im Rechtsverkehr gebraucht wird, ist unter Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr gestellt(28). Ebenso ist strafbar, wer eine falsche oder verfälschte Urkunde im Rechtsverkehr gebraucht(29).
In zahlreichen Fällen geraten Flüchtlinge in den Verdacht, Personaldokumente gefälscht zu haben bzw. gefälschte Dokumente zu gebrauchen. Tritt dieser Verdacht auf, so werden die von den AsylwerberInnen vorgelegten Dokumente zunächst zur kriminaltechnischen Untersuchung geschickt und die/der AsylwerberIn gegebenenfalls angeklagt.
...Krankenscheine weitergebe?
Dies ist als Täuschung der jeweiligen Krankenkasse zu werten und könnte theoretisch mit Freiheitsentzug bis zu einem Jahr bestraft werden. Voraussetzung einer Bestrafung sind aber Aussagen, wonach Krankenscheine wissentlich und in Kenntnis ihrer missbräuchlichen Verwendung weitergegeben wurden. Es ist also ziemlich unwahrscheinlich, dass ein solcher Fall je eintritt, wenn etwa dem/der behandelnden Arzt/Ärztin bewusst ist, dass er/sie eine illegalisiert in Österreich aufhältige Person behandelt. Eine Weitergabe von Zahnscheinen ist nicht möglich, da in diesem Fall eine automatische Plausibilitätsprüfung seitens der Krankenkasse erfolgt.
...als Arzt/Ärztin behandle?
ÄrztInnen sind genaugenommen sogar verpflichtet, Kranke zu behandeln, sofern dies zumutbar erscheint. Komplikationen können sich ausschließlich in Zusammenhang mit der Weitergabe von Krankenscheinen (und selbst da nur theoretisch) ergeben.
Können sich illegalisiert aufhältige Personen zum Schulbesuch anmelden?
Zur Anmeldung an einer Schule sind Dokumente wie Meldezettel, StaatsbürgerInnenschaftsnachweis u.ä. notwendig. Da in Österreich Schul- bzw. Unterrichtspflicht besteht, ist für den Besuch der Pflichtschule ein Meldezettel in der Praxis ausreichend, ein Hauptschulabschluß ist weiters an diversen Volkshochschulen möglich. Problematisch wird es beim Besuch einer Höheren oder weiterbildenden Schule nach Beendigung der Pflichtschule. Dieser Weg bleibt illegalisierten Jugendlichen versperrt.
Einer Aussage des Wiener Stadtschulratspräsidenten zur Folge würden Informationen über Menschen, die nach erfolgter Aufnahme ihren Aufenthaltstitel verlieren würden, nicht an andere Behörden weitergegeben.
Gibt es eine Denunziationspflicht, wenn ich vom rechtswidrigen Aufenthalt einer Person Kenntnis erlange oder ZeugIn eines heimlichen Grenzübertritts werde?
Kein Mensch kann gezwungen werden, andere zu denunzieren. Strafbar ist lediglich die Mitwirkung an Straftaten sowie die Begünstigung von StraftäterInnen. Dies setzt jedoch aktive Handlungen voraus.
Kann die Polizei meine Wohnung nach illegalisiert aufhältigen Personen durchsuchen?
Die Polizei kann eine Wohnung betreten, wenn sie auf der Suche nach Personen ist, gegen die ein Festnahmeauftrag erlassen wurde oder bei der die Schubhaft zu vollstrecken ist und bestimmte Gründe die Annahme rechtfertigen, dass sich die gesuchte Person in den betretenen Räumlichkeiten aufhält (30). Die Rechtmäßigkeit einer solchen Handlung ergibt sich in der Regel erst im Nachhinein. Es gibt daher keine realistischen Möglichkeiten, sich in der konkreten Situation dagegen zur Wehr zu setzen.
Ebenso dürfen Räume betreten werden, in denen aus bestimmten Gründen angenommen werden kann, dass in ihr fünf Fremde Aufenthalt genommen haben und sich darunter Personen befinden, die sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten(31). In der Praxis reicht der Polizei eine Aussage eines/r NachbarIn, "dass sich da immer so viele AusländerInnen herumtreiben".
Sollte einer dieser Fälle eintreten, muss die Behörde auf Verlangen binnen 24 Stunden eine Bescheinigung über die Vornahme einer Amtshandlung und deren Gründe zustellen(32). Ein solcher Bescheid ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Bekämpfung am Rechtsweg.
Im übrigen ist die Behörde angehalten, die Amtshandlung unter Vermeidung unnötigen Aufsehens, jeder nicht unumgänglich nötigen Belästigung oder Störung der Betroffenen sowie möglichsten Schonung deren Rufs vorzunehmen(33).
Was darf die Grenzpolizei tun?
An der Grenze so ziemlich alles, was der Identitätsfeststellung einer Person dient. Weiters dürfen Fahrzeuge und mitgeführte Behältnisse unter- und durchsucht werden. Selbiges dürfen BeamtInnen der Grenzkontrolle auch fern der Grenze, sofern Grund zur Annahme besteht, dass eine Person die Grenze unter Umgehung der Grenzkontrollen passiert hat oder diese noch passieren will. Kurz: Sie kann es zu jederzeit und de facto uneingeschränkt!
Von BeamtInnen der Grenzkontrolle angehaltene Personen müssen den Anweisungen der BeamtInnen Folge leisten und alle Maßnahmen dulden(34).
Wer Auskünfte über einen geplanten Grenzübertritt
verweigert oder angeordnete Maßnahmen behindert, Anordnungen nicht
befolgt o.ä., kann mit Verwaltungsstrafe von bis zu ATS 30 000,- belegt
werden(35).
Fußnoten:
0) Der Aufenthaltstitel begründet den Aufenthaltszweck
in Österreich. Es gibt zwei Arten von Aufenthaltstitel: Die Aufenthaltserlaubnis
berechtigt zu einem vorübergehenden Aufenthalt, die Niederlassungsbewilligung
zur Niederlassung in Österreich.zurück1)
Österreich hat nach einer kürzlich präsentierten Eurostat-Studie
die geringste Zuwanderungsrate des gesamten EU-Bereichs. Im Jahr 1998 lag
Österreich mit nur 0,6 ZuwanderInnen per 1000 EinwohnerInnen gemeinsam
mit Deutschland an erster Stelle unter den Fremdenfeinden. 1997 konnte
Österreich diesen Platz angesichts einer Zahl von 0,4 ZuwanderInnen
per 1000 EinwohnerInnen ganz allein für sich in Anspruch nehmen. Quelle:
Standard vom 25. August 1999, Seite 1
zurück
2) MeldeG § 2 Abs 1; §3 Abs 1
zurück
3) MeldeG § 7 Abs 1
zurück
4) MeldeG §8 Abs 2
zurück
5) MeldeG §2 Abs 3 Z.1
zurück
6) MeldeG §22 Abs 2 Z 5
zurück
7) MeldeG §22 Abs 1 Z 7
zurück
8) nach MeldeG §22
zurück
9) FrG §104 Abs 1
zurück
10) Anders verhält es sich bei Personen ohne österreichische
StaatsbürgerInnenschaft. Im Zusammenhang mit den andernorts in diesem
Machwerk beschriebenen MigrantInnen-Netzwerken gelingt es hier sehr leicht,
"Schlepperei" zu konstruieren, weil letzlich bereits das Wissen, dass sich
eine im gemeinsamen Haushalt lebende Person rechtswidrig in Österreich
aufhält aufgrund von Verwandschaftsverhältnissen o.ä. als
Indiz für Unterstützungshandlungen bei der heimlichen Einreise
ausgelegt werden kann (und wird).
zurück
11) FrG §104 Abs 2 Z 1
zurück
12) FrG §104 Abs 2 Z 2
zurück
13) Diese Qualifikation als Verwaltungsübertretung
resultiert letztlich aus der Unbestimmtheit der Strafbestimmungen und stellt
wohl einen Versuch dar, sie weitgehend aus der Schusslinie der Höchstgerichte
zu halten.
zurück
14) FrG §105
zurück
15) FrG §§36 und 39 Abs 1
zurück
16) StGB §104a
zurück
17) StGB §278 Abs 1
zurück
18) StGB §278a verlangt zwar "Unternehmensähnlichkeit",
diese ist aber bei einem gewissen Grad der Arbeitsteilung sowie Geldfluss
(nicht unbedingt von den "geschleppten" Personen, sondern zB. zum Ankauf
von Hilfsmitteln oder als bewusster Kostenbeitrag zu Benzinrechnungen o.ä.)
auch ohne Bereicherungsabsicht gegeben.
zurück
19) vgl. Kurt Schmoller: 'Schlepperei' und 'Ausbeuterische
Schlepperei'. Zwei neue Deliktstypen im österreichsichen Strafrecht,
Vortrag auf einem Symposium in Frankfurt/Oder am 28.11.97.
zurück
20) EheG §23 Abs 1
zurück
21) EheG §28 Abs 1. Diese Stelle bezieht sich
übrigens - und damit ist die aktuelle Bedeutung der Regelung wohl
deutlich beschrieben - auch auf Klagen wegen Verstosses gegen das "Gesetz
zum Schutz der Erbgesundheit des deutschen Volkes!"
zurück
22) "Ein Aufenthaltsverbot (FrG §36) ist ein fremdenpolizeilicher
Bescheid, mit dem dem Fremden nicht nur die Ausreise aus dem Bundesgebiet
(unverzüglich oder binnen einer bestimmten Frist) aufgetragen wird,
sondern ihm zudem verboten wird, (für bestimmte Zeit oder auch für
immer) nach Österreich einzureisen bzw. sich hier aufzuhalten." huber/öllinger/steiner:
handbuch der flüchtlingsberatung, S. 77 (siehe Rezension Seite 76).
Aufgrund von Schutzehen darf ein Aufenthaltsverbot für höchstens
fünf Jahre ausgesprochen werden.
zurück
23) FrG 1997 §106 Abs 1
zurück
24) AuslBG §28
zurück
25) Zebratl 2/99; siehe dazu auch den Beitrag: Arbeitsmigration
nach Österreich, Seiten 45-47.
zurück
26) FrG §36 und §38. Weiters liegt Unzulässigkeit
eines Aufenthaltsverbotes vor, wenn der Sachverhalt, der dem Aufenthaltsverbot
zugrunde gelegt werden soll, für die Erlassung einer Ausweisung nach
§34 FrG nicht ausreichen würde; wenn der/dem Fremden vor Verwirklichung
des fraglichen Sachverhaltes die StaatsbürgerInnenschaft hätte
verliehen werden können und die/der Fremde von klein auf im Inland
aufgewachsen und hier rechtmäßig niedergelassen ist (vgl. handbuch
der flüchtlingsberatung, S. 79).
zurück
27) StGB §231 Abs 2
zurück
28) StGB §223 Abs 1
zurück
29) StGB §223 Abs 2
zurück
30) FrG §71 Abs 1
zurück
31) FrG §71 Abs 2 Z 2
zurück
32) FrG §71 Abs 4
zurück
33) FrG §71 Abs 4
zurück
34) GrekoG §12 Abs 1 bis 4
zurück
35) GrekoG §16 Abs 1
zurück
aus: TATblatt nr. +120/121/122/123 (12/13/14/15 1999)
vom oktober 1999
(c)TATblatt
alle rechte vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise, nur in linken, alternativen
und ähnlichen medien ohne weiteres gestattet (belegexemplar erbeten)!
In allen anderen fällen nachdruck nur mit genehmigung
der medieninhaberin (siehe impressum)
[zum TATblatt-inhaltsverzeichnis]