06 November 2006
"Dieses System ist am Ende"
Politische Aussage auf Geldscheinen
Nach der Regierungsnachrichtenagentur MEHR hat die iranische Zentralbank in der letzten Woche nachdrücklich darum gebeten, dass auf Geldscheinen nicht geschrieben wird, egal ob per Hand oder gedruckt, weil das gegen das Gesetz verstosse und Kapital verloren gehe. Laut iranischer Zentralbank werden jedes Jahr 700 Millionen Geldscheine beschriftet, die aus dem Geldkreislauf entfernt werden müssen. Letztes Jahr musste sie aus diesem Grund umgerechnet 12 Million Euro für den Nachdruck ausgeben.
Als Beispiel ist oben einen Geldschein abgebildet, auf dem am linken Rand steht: "Dieses System ist am Ende"
Kommentar von Ali Schirasi:
Weil es keine anderen Möglichkeiten gibt, im Iran seine Unzufriedenheit zu zeigen, wählen die Menschen diese Ausdrucksform. Der Iran hat 70 Millionen Einwohner. Das, was die Zentralbank gesagt hat, bedeutet, dass durchschnittlich von jedem Iraner 10 Geldscheine pro Jahr unbenutzbar gemacht werden.
09 October 2006
Bewaffneter Konflikt zwischen islamischen Rechtsgelehrten im Iran
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Im ersten Bild sieht man einen Mullah: Ajatollah Borojerdi. Sein noch vor der islamischen Revolution verstorbener Großvater war ein Großajatollah und Vorbild für Schiiten in der ganzen Welt. Chomeini selbst war auch ein Schüler dieses Großajatollahs. Als Chomeini an die Macht kam, war Borojerdi gegen Chomeinis Weg, wurde unterdrückt und musste schweigen. Seit ein paar Jahren hat er ab und zu die Regierung kritisiert. Als Ahmadinejad kam, hat er häufig Interviews gegeben, Briefe an Kofi Anan und Menschenrechtsorganisatoren geschrieben. Seiner Meinung nach ist das gegenwärtige Modell des Irans kein echter sondern ein ein staatlicher Islam. Ein echter Islam sei ein traditionalistischer Islam, der sich in Politik und Staat nicht einmische. Wann immer Revolutionswächter und Geheimdienst ihn festnehmen wollten, verteidigten seine Anhänger ihn vor seiner Wohnung mit Messern, Dolchen, Schwertern, Steinen und Stöcken. Seine Anhänger sagten stets: "Wenn Sie unseren Ajatollah festnehmen wollen, müssen Sie über unsere Leichen gehen." Die Regierung wollte bislang keine Eskalation.
Seit Freitag, den 6. Oktober um 4 Uhr morgens versuchten der iranische Geheimdienst und Revolutionswächter erneut Borojerdi in seinem Haus festzunehmen. Seine Anhänger haben mit ihren einfachen Waffen versucht ihn zu verteidigen (Bild 1, 2). Im Laufe des Freitags kamen viele seiner Anhänger aus anderen Städten zusammen. Man sagt, dass sie ungefähr 2000 Leute waren, darunter Männer, Frauen und Kinder (Bild 3, 4, 5). Die zuständigen Vertreter von der Regierung versuchten zunächst mit Gesprächen das Problem zu lösen, was nicht funktionierte. Freitag und Samstag war im gesamten Viertel um das Haus des Ajatollhs Unruhe auf den Strassen und der Verkehr brach zusammen (Bild 6-8).
Sonntag gegen 4 Uhr haben schließlich Geheimdienst, Revolutionswächter, Polizei und Milizen sein Haus gestürmt. Eine unbekannte Anzahl von Personen wurde getötet, viele wurden verletzt. Der Ajatollah und zahlreiche Anhänger wurden festgenommen.
Am frühen Morgen wurde die Straße mit Wasserkanonen und Reinigungswagen vom Blut gesäubert. Über 600 Anhänger des Ajatollahs wurden in das berüchtigte Ewin-Gefängnis gebracht.
Am folgenden Morgen versammelten sich über 2000 Menschen vor der Fakultät für Veterinärmedizin, die sich in der Nähe des Hauses von Ajatollah Borujerdi (Aussprache: Borudscherdi) befinden, um gegen das Blutvergießen zu protestieren.
Dunkle Winkel im ganzen Iran
Es sieht aus wie eine normale Wohnung ist aber eher ein dunkler Winkel (Dachmeh). Im ganzen Iran kann man solche Dachmehs mit vergleichbaren Wandbildern vorfinden. Solche Ecken finden sich in vielen Städten, vor allem aber in Teheran. Das Bild oben ist die Aufnahme eines dunklen Winkels in Shahrerei, einem Vorort von Teheran.
Ein 23-jähriger Schüler dieser Dachmehs mit dem Namen Mostafa, Abiturient und Beamter im Bildungsministerium sowie sehr aktives Mitglied der Basiji (Milizen) ist letzten Dienstag, den 3. Oktober gegen 16 Uhr in das Kino am Revolutionsplatz von Teheran eingedrungen. Sein Erscheinungsbild entsprach genau den Bekleidungsvorschriften der Hisbollah - er sah mit seinem langen Vollbart aus wie ein Talibananhänger. Vor dem Kinosaal schrie er laut, dass das Kino die Menschen zerstöre, wer im Kino arbeitet, müsse getötet werden. Blitzschnell griff er sich einen der Beschäftigten des Kinos und erstach ihn mit seinem Messer. Danach ging er in der Vorführungssaal und hat noch zwei weitere Menschen schwer verletzt. Die Zuschauer konnten ihn überwältigen und der Polizei übergeben. Ob er festgenommen oder wieder freigelassen wurde, weiß keiner.
In Dachmehs versammeln sich die Anhänger der Hisbollah, die sehr radikal sind. Es wird die Scharia und der Koran geschult sowie an Waffen (Messer, Dolche, Pistolen) ausgebildet. Zahlreiche Politiker der heutigen iranischen Regierung sind in solchen Ecken ausgebildet worden: z.B. der Innenminister Purmohammadi, der Aussenminister Mottaki und der Staatspräsident Ahmadinejad. Diese Dachmehs werden von der islamischen Partei Ansar Hisbollah finanziert und auf allen möglichen Arten unterstützt. Die Ansar Hisbollah wiederum wird von vielen reichen islamischen Stiftungen unterstützt. Bei den Sitzungen der Dachmehs wird geplant wie Regierungskritiker, Intellektuelle getötet werden, wie die Studentenbewegung, Demonstrationen oder Sitzstreiks niedergeschlagen werden. In diesen Dachmehs wird geplant wie terroristische Gruppen ausgebildet und in den Libanon, Irak und andere Länder geschickt werden.
Kommentar:
Wenn die Teuerung weiter zunimmt und Preise sich mittlerweile in einer Woche verdoppeln, während Lehrerinnen, Krankenschwestern, Fabrikarbeiter und andere Angestellte für ihren Lohn kämpfen und Studenten protestieren weil die Universitäten schlecht finanziert sind, wenn im Iran vielleicht 30% der Menschen keine Arbeit finden und viele junge Frauen und 10-12 jährige Mädchen sich für ihr täglich Brot prostituieren müssen, fliesst iranisches Öleinkommen in solche Richtungen.
Lehrersitzstreik in Ardabil (Nordwestiran)
Laut Nachrichtenagentur ILNA fand heute am 9. September vor dem Gebäude des Bildungszentrums in Ardabil ein Sitzstreik von Lehrern statt. Mohammad Abassi, Leiter des Lehrervereins in Ardabil, der selbst an diesem Streik teilnahm, sagte: "Wir als Beamte bekommen weniger Lohn und Zusatzzahlungen als vergleichbare Beamte woanders. Wir haben oft einen gleichen Lohn gefordert aber keiner der zuständigen Personen in der Regierung, die unser Problem ganz genau kennen, hat reagiert. Sie haben lediglich gesagt, dass es einen Entwurf für die Angleichung der Löhne aller Beamten gibt, aber dieser Entwurf war nur ein Gerede und ist nicht verwirklicht worden. Dieser Sitzstreik hat keine politischen Ziele; wir wollen nur unser Recht bekommen. Wir werden unseren Sitzstreik fortsetzen, bis die zuständigen Personen aus der Regierung unser Probem lösen."
25 September 2006
Ergänzung zu "Persische Teppiche sind passé"
Gemäß verschiedenen Quellen aus dem Iran sind 40 Arbeiter bei diesen Auseinandersetzungen festgenommen worden. Ein Arbeiter mit dem Namen Mohsenpur hat gesagt: "Sie [d.h. die Polizei, Revolutionswächter] haben uns, Alte, Junge, Frauen und Männer, uns alle haben sie geschlagen. Und sie haben Tränengas benutzt. Es waren zwischen 400 und 500 Ordnungsbeamte. Zuerst haben sie Tränengas geworfen und dann mit dem Stock uns und unsere Familien geschlagen." Ein anderer Arbeiter namens Hossein hat gesagt: "ich war drei Tage im Gefängnis, die Hand meiner Frau ist gebrochen worden. Ich selber bin stark am Schädel hinter dem Ohr verletzt worden und kann nicht mehr richtig hören." Ein weiterer Arbeiter mit dem Namen Mehdi sagte: "Zuerst gab es Schüsse in die Luft, dann haben sie mich mit Gewehrkolben geschlagen. Unter meinen Augen und am Kopf wurde ich stark verletzt. Bereits während meine Kleidung blutig war, haben sie mich noch mit dem Stock geschlagen, dann wurde ich bewußtlos. Sie haben mich im Gefängnis nur verbunden, aber nicht ins Krankenhaus geschickt."
Arbeiterdemonstration in Isfahan
Ende letzter Woche demonstrierten 300 Arbeiterinnen und Arbeiter der Spinnerei Rahimzade vor dem Regierungsgebäude in Isfahan. Auf grossen Transparenten aus Stoff war zu lesen: "Schluß mit den Versprechungen. Taten! Taten! Taten!" Ihnen war seit 9 Monaten ihr gesamter Lohn vorenthalten worden.
Einerseits haben diese Fabriken Probleme wegen der Konkurrenz durch Billigimporte, andererseits besteht das Problem, dass Regierungsanhänger, die in dieser Fabrik arbeiten, aus verschiedenen Gründen viel zu hohe Löhne und Sonderzahlungen erhalten.
Ein Beispiel für letzteres ist auch die Giesserei in Isfahan (Chomeinischar), die Teil der für den Iran wichtigen eisenverarbeitenden Industrie ist. Das Defizit dieser Firma betrug im Jahr 2006 umgerechnet 120 Mio Euro. Laut Planungen hätte die Giesserei im Jahr 2005 ca. 92 Mio. Euro Gewinn ausweisen sollen und hatte statt dessen 164 Mio. Euro Verluste. Während ein Arbeiter im Schnitt 300 Euro und ein Abgeordneter von Chomeinischar monatlich 1500 Euro verdienen, erhalten Geheimdienstler, Revolutionswächter und Anhänger der Hisbollah oder der Regierung, die in der Verwaltung dieser Firma untergebracht wurden, obwohl sie keine Fachleute sind, 2000 bis 3000 Euro pro Monat - zusammen mit Sonderzahlungen kommen sie auf bis zu 50.000 Euro im Jahr.
Eine Fabrik, die Kompressoren für Kühlschränke herstellte, hatte vor kurzem aus ähnlichen Gründen schliessen müssen. Die 470 Arbeiter, die deswegen auf die Strasse gesetzt wurden, protestierten am letzten Montag mit einem Sitzstreik vor der Fabrik.
19 September 2006
Persische Teppiche sind passé
In letzter Zeit mehren sich die Nachrichten von Arbeiterprotesten aus den verschiedensten Wirtschaftszweigen. So sind jüngst über 300 entlassene ArbeiterInnen der maschinellen Teppichweberei "Albors" in Babolsar am Kaspischen Meer mit ihren Familien auf die Straße gegangen, um gegen die seit Monaten ausstehenden Lohnzahlungen und die ungeklärte Arbeitslage zu protestieren. Als sich der Protestzug der Kreisverwaltung zuwandte, wurden Sicherheitskräfte eingesetzt und es kam zu Auseinandersetzungen zwischen den Arbeitslosen und den staatlichen Kräften. Einige Arbeiter wurden verhaftet. Solche Szenen häufen sich seit der Amtsübernahme von Präsident Ahmadinejad.
Was sind die Gründe?
Die meisten Firmen im Iran sind keine reinen Privatunternehmen, vielmehr sind sie in den Händen religiöser Stiftungen, die von Personen aus dem Umkreis der Geistlichen geleitet werden. Für diesen Personenkreis ist es bequemer und billiger, Stoffe und Teppiche aus China zu importieren als sich mit den eigenen Arbeitern auseinandersetzen zu müssen.
Die Folge sind zunehmende Entlassungen in den iranischen Industriezweigen, denn dieses Phänomen ist auch in vielen anderen Bereichen anzutreffen.
Langfristig gefährdet diese Zunahme der Arbeitslosigkeit die Stabilität des Regimes, aber bei anhaltend hohen Ölpreisen kann die Regierung die Unzufriedenheit durch die Umverteilung eines Anteils der Öleinnahmen in Form von Subventionen der Nahrungs- und Benzinpreise dämpfen.
13 September 2006
Was ist im Ewin-Gefängnis los?
Was ist im Ewin-Gefängnis los?
(Wörtlich: Woher kommt der Groll auf Musavi Khoeini – Was ist los im Trakt 209?)
Kine az Musavi Khoeini chist – Dar band-e 209 chi migozarad?
ksanjari@gmail.com
Als wir am Freitag, den 28. Mordad (19. August 2006), nach dem Tod von Ali Akbar Khoeinis Vater, die Äußerungen des stellvertretenden Leiters für Gefängniswesen bei der Staatsanwaltschaft Teherans Salarkiya gegenüber der Nachrichtenagentur ILNA lasen, dass er nach Wegen suche, den Haftbeschluss gegen Musavi Khoeini abzuwandeln, damit dieser dadurch – so Gott wolle – am Begräbnis seines Vaters teilnehmen könne, bekamen wir den Eindruck, als wiederhole sich die Geschichte eines anderen politischen Gefangenen, dass nämlich der politische Gefangene aufgrund des Todes eines Familienangehörigen freigelassen wird. Auf der Suche nach anderen Beispielen erinnerten wir uns an Herrn Abdollah Nuri, der nach dem Tod seines Bruders, der Abgeordneter des iranischen Parlaments in der 6. Legislaturperiode war, begnadigt wurde und vor Ablauf der Haftstrafe freigelassen wurde, und an Manuchehr Mohammadi, der nach dem mysteriösen Tod seines Bruders Akbar im Ewin-Gefängnis unter Auflagen aus dem Gefängnis entlassen wurde und in seinen Heimatort Amol heimkehren konnte.
Aber wir warteten am Freitag bis 17 Uhr vergeblich vor dem großen Tor des Ewin-Gefängnisses auf die Freilassung von Musavi Khoeini. Erst am Abend erfuhren wir, dass er von Sicherheitsbeamten unter Eskorte zum Grab seines Vaters gebracht und danach unverzüglich wieder in seine Zelle im Trakt 209 eingesperrt wurde. Im Gegensatz zu früheren Fällen, die mit der Freilassung des politischen Gefangenen endeten, blieb Musavi weiter dem Druck des Ermittlers ausgesetzt, und erst vor kurzem haben die Verhörbeamten den Haftbefehl gegen ihn um einen weiteren, den dritten Monat verlängert, um ihn unter Druck zu setzen. Es sieht so aus, als hätten diejenigen im Sicherheitsapparat, die die Vorwürfe gegen ihn fabrizieren, die Absicht, im Fall von Musavi Khoeini ihre politischen Absichten egal wie zu verwirklichen (...).
Da stellt sich die Frage: Wieso sitzt der Groll auf Musavi Khoeini so tief?
Um eine Antwort hierauf zu finden, empfiehlt es sich, uns näher anzuschauen, was Musavi Khoeini in seiner Zeit als Abgeordneter des iranischen Parlaments in der 6. Legislaturperiode unternommen hat. Dann sieht es nämlich so aus, als bekomme Musavi es jetzt heimgezahlt, dass er seinerzeit eine Überprüfung und Kontrollvisiten in Hafteinrichtungen der Sicherheitsorgane durchsetzte, die der Aufsicht und Obhut der Gefängnisverwaltung entzogen waren und sich in der Hand von Parallelgeheimdiensten (AdÜ: so die Pasdaran und diverse Organe im Dienste bestimmter Geistlicher) befanden.
Und jetzt (AdÜ: 19. August 2006) ist er schon 71 Tage an einem Ort inhaftiert, den er in den Vorjahren selbst besucht hatte, um einen Blick in die kleinen, dunklen Zellen zu werfen. Dabei bekam er völlig vergessene, in sich zusammengesunkene Gefangene zu Gesicht und konnte – und sei es auch nur flüchtig und kurz – ein paar Worte mit ihnen wechseln und sie nach ihrem Befinden fragen. Heute dagegen findet sich kein so unerschrockener Abgeordneter mehr wie Musavi Khoeini, der Akten über die Haftorte der Geheimdienste – ein Archipel verstreuter Inseln - aus dem Archiv hervorzöge und Ermittlungen in Gang brächte. Denn heute fehlt den Abgeordneten der Wille hierzu und dem Sicherheitsapparat – unter dem Befehl und der Aufsicht des „liebevollen Staates“ eines Herrn Ahmadinejad - die Flexibilität.
An dieser Stelle sei auch der Fall Akbar Mohammadi erwähnt, eines Studentenvertreters (erg.), der noch in Zusammenhang mit den Prozessen um das Studentenwohnheim in Teheran (AdÜ: das 1999 von staatlichen Einheiten und Hisbollahis überfallen wurde) inhaftiert ist. Aus Protest gegen seinen miserablen Gesundheitszustand hatte er einen unbefristeten Hungerstreik erklärt. Als einige Abgeordnete der Minderheitsfraktion des Parlaments, darunter Akbar A’lami und Valiollah Shoja’pur, den Gefangenen im Ewin-Gefängnis besuchen wollten, wurde ihnen – nach ihrer eigenen Aussage – nicht nur eine Besichtigung des Trakts 209 verweigert, sie durften den völlig abgemergelten Akbar Mohammadi auch nicht einmal in der Krankenstation des Gefängnisses besuchen!
Dies wirft die Frage auf, was sich in diesen Tagen im Trakt 209 abspielt, wenn selbst Abgeordnete, die das Vertrauen der Regierung genießen, nicht das Recht haben, jenen Ort zu besuchen?
Der Verfasser dieser Zeilen war im letzten Jahr (AdÜ: persischer Kalender) 111 Tage ohne Beweis und ohne Grund im Trakt 209 eingesperrt. Daher kann er sich ausmalen, was der
Grund für die Unruhe der Sicherheitsorgane angesichts eines Abgeordnetenbesuchs ist.
Der Grund für die Unruhe ist nicht so sehr die Anwesenheit bekannter Gefangener wie Ramin Jahanbeglu, Musavi Khoeini oder Ahmad Batebi in den kleinen Zellen des Trakts 209 – dies für sich wäre schon ein Thema, sondern die große Zahl geheimer und vergessener Gefangener, die aus den Kreisen der Revolutionären Staatsanwaltschaft und der Revolutionsgerichte mit völlig unklaren, verschwommen und unfairen Vorwürfen konfrontiert werden und deshalb seit Monaten – in einigen Fällen schon seit Jahren – krank und zusammengekauert in irgendeiner Zellenecke vor sich hin vegetieren (…) und die auf der Suche nach einer verantwortlichen Stelle sind, um sich über die Ungerechtigkeiten zu beschweren, die ihnen widerfahren sind. Dies ist der Hauptgrund, warum die Abgeordneten nicht in die Haftanstalt eingelassen werden.
Ja, in den 111 Tagen, in denen ich letztes Jahr im Trakt 209 in Haft war, habe ich einen kleinen Ausschnitt der Druckmittel und Ungerechtigkeiten, die die Unschuldigen erleben mussten, selbst mit angesehen. Der Druck und die Drohungen erreichten Ausmaße, dass sich ein Gefangener namens H. M., der sich schon fünf Monate in Untersuchungshaft befand, zweimal mit einem Esslöffel schwere Wunden zufügte, und ein anderer namens B. D., der ebenfalls schon einige Monate in Untersuchungshaft war, sich in der Einzelhaft zu erhängen versuchte.
Dies waren die Umstände, als ein dunkelhäutiger Balutsche namens Mohammad Anvar, der erst vor kurzem aus dem Guantanamo-Gefängnis entlassen worden war und zu Beginn seiner Ankunft im Iran zu mir in die Zelle im Trakt 209 verlegt wurde, meinte, die Haftbedingungen in Guantanamo seien erträglicher und humaner gewesen als dieser Trakt 209.
Dies sind die Umstände, unter denen ein Gefangener wie Ramin Jahanbeglu – wie die Zeitung Keyhan berichtet, gebrochen wurde und dazu gebracht wurde, sich vor die laufende Kamera zu setzen und das zu erzählen, was die Ermittler nach dem Drehbuch ihrer Regie von ihm hören wollten.
Wir haben daher gute Gründe, wenn wir uns über die Lage von Menschen wie Ahmad Batebi, Musavi Khoeini und Dutzender anderer unschuldiger Andersdenkender Sorgen machen, die aus unklaren Gründen verhaftet wurden und im Trakt 209 in Haft sind.
Wir habe gute Gründe, ihre Freilassung zu fordern.
Konstanz, den 13.09.2006, Übersetzung aus dem Persischen, Georg Warning
Spielregeln für Esel
Die Webseite www.jamejamonline.ir berichtet am Montag, den 11. September 2006 (20. Shahrivar 1385) unter der Adresse http://www.jamejamonline.ir/shownews2.asp?n=155188&t=esp
von der Konfiszierung der in Teheran erscheinenden Zeitung Sharq. Grund ist eine Karikatur, die vier Tage zuvor, am 16. Shahrivar (7. September 2006), in dieser Zeitung veröffentlicht wurde.
Schon zuvor hatte die Webseite www.entekhab.ir unter der Adresse
http://www.tik.ir/display/?ID=27844&page=1
davon berichtet, dass islamistische Milizen (Bassidschis) in Ost-Aserbaidschan (Iran) gegen die Karikatur protestiert hätten, weil sie den Präsidenten der Republik beleidige. Auf dieser Webseite ist die Karikatur auch abgebildet. Es ist ein Schachbrett zu sehen, auf dem sich ein Pferd und ein Esel gegenüberstehen. Der Esel ist von einem Lichtschein umgeben, wie ihn Präsident Ahmadinejad im Haus der UNO in New York gesehen haben will, als er dort eine Rede hielt. Die Karikatur trägt die Unterschrift: Neue Spielregel.
Die Meldung der Nachrichtenagentur Entekhab enthält auch einen Verweis auf die Webseite der Zeitung Sharq:
http://www.sharghnewspaper.com/850616/html/end.htm
Dort ist die Karikatur vom 16. Shahrivar (Archivsuche) aber nicht mehr (13.9.2006) zu finden.
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About
Blog des iranischen Schriftstellers Ali Schirasi http://www.alischirasi.de
Ali Schirasi wurde 1940 in einem kleinen Dorf nahe Teheran geboren. Mit 16 wurde er Grundschullehrer; später qualifizierte er sich an der Pädagogischen Hochschule zum Oberstufenlehrer für Mathematik. Er bereitete auch Schüler auf die Aufnahmeprüfung zur Universität vor.
1962 nahm er am ersten landesweiten Lehrerstreik teil und sammelte politische Erfahrungen, um gemeinsam mit anderen Lehrern eine Lehrergewerkschaft aufzubauen. Wegen seiner politischen Aktivitäten wurde er 1975 unter dem Schah zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, jedoch auf Intervention des Internationalen Roten Kreuzes 1978 freigelassen. Nach Khomeinis Machtergreifung wurde er 1983 wieder aus politischen Gründen inhaftiert. Nachdem er sich aus dem Ewin-Gefängnis retten konnte, gelang ihm 1987 die Flucht aus dem Iran.
Heute lebt er als freier Schriftsteller in Deutschland und tritt mit zahlreichen Lesungen, Vorträgen und Veranstaltungen an die Öffentlichkeit. Von ihm sind mehrere Bücher auf Deutsch und Persisch erschienen. Sein jüngstes Buch - "Steinregen" - umfasst u.a. die Erzählung "Hoffnungen ohne Ende", die im April 2002 mit dem Ingeborg-Drewitz - Literatur-Preis ausgezeichnet wurde.
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