03 April 2007
Iran im Neuen Jahr
Der gestrige Montag, der 2. April, entspricht dem 13. Farwardin des iranischen Kalenders und damit dem 13. Tag im Neuen Jahr des iranischen Kalenders. Der 13. Farwardin ist in der iranischen Kultur traditionell der Tag, an dem man mit der ganzen Familie ins Grüne geht. Seit alters her feiern die Iraner den ersten Frühlingstag als Jahresanfang. Die ersten 12 Tage sind Ferientage, während der die Jüngeren die Älteren besuchen. Man beglückwünscht sich gegenseitig nach dem überstandenen Winter zum Beginn des Frühlings. Die Älteren geben den Jüngeren Geschenke, und allgemein ist man davon überzeugt, dass man zum Neujahr Feindschaften und Streitigkeiten begraben soll und stattdessen die Basis für Freundschaften legen soll. Diesem Zweck dienen auch die vielen Besuche.
Als Ajatollah Chomeini 1979 an die Macht kam, versuchte Chomeini ebenso wie die anderen einflussreichen Ajatollahs, diese ehrwürdige vorislamische iranische Tradition auszurotten und an ihrer Stelle das islamische Opferfest einzuführen. In den 28 Jahren islamistischer Herrschaft ist es ihnen nicht gelungen, die Bevölkerung davon abzuhalten, das Neujahr zu feiern. Im Umkreis des Neujahrsfestes sind drei Tage besonders wichtig: Tschahar-Schanbe Suri - der letzte Mittwoch im ausgehenden Jahr, genauer, die Nacht vom Dienstag auf Mittwoch, in der überall große Feuer auf der Straße angezündet werden und die Jugendlichen darüber springen; der Neujahrstag – Awwal-e Farwardin, und der 13. Farwardin, Sisdah-be-dar genannt, an dem alle ins Grüne gehen. Die Menschen sind überzeugt, dass es Unglück bringt, wenn man am 13. Farwardin zu Hause bleibt.
Trotz aller staatlichen Propaganda gegen dieses Fest sind die iranischen Familien am 13. Farwardin dieses Jahrs in großer Zahl ins Grüne gefahren, die Frauen trugen bevorzugt helle Kleidungsstücke statt der verordneten Schwarztöne.
Die Geistlichkeit versuchte dagegen, das Volk in die Moscheen und zu den Heiligengräbern zu locken, und Ajatollah Chamenei hielt am ersten Neujahrstag im Heiligtum von Maschhad eine Rede, die in den Worten gipfelte: „Wenn der UN-Sicherheitsrat illegal vorgeht, können und werden auch wir illegal vorgehen.“
Am 23. März, einen Tag vor der bevorstehenden Resolution des UN-Sicherheitsrats, bewies Ajatollah Chamenei, dass er es ernst mit dieser Drohung meinte, als er eine Gruppe britischer Marine-Soldaten im Persischen Golf als Geiseln nehmen ließ. Der Befehl dazu erging, als er erfuhr, dass die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats einstimmig für die Resolution stimmen würden. Es gehört zu den klassischen Methoden der iranischen Geistlichkeit, in kritischen Situation innen- oder außenpolitischer Natur die Lage so aufzuheizen, dass die Bevölkerung sich hinter ihr schart. Man denke nur an die Geiselnahme in der US-amerikanischen Botschaft in Teheran zu Beginn der islamischen Revolution. Hier sei auch daran erinnert, dass im Vorfeld der Wahl von Ahmadinedschad zum iranischen Präsidenten berichtet wurde, dass Ahmadinedschad selbst damals an der Geiselnahme in der Botschaft beteiligt gewesen sei. Es sind also Leute vom Fach am Werk…
Der Hauptadressat der jüngsten Geiselnahme ist freilich nicht das Ausland, sondern die eigene iranische Bevölkerung. Die Machthaber wollen ihr zeigen, wie mächtig sie sind. Sie können nicht nur oppositionelle Iraner verhaften, foltern und als reuige Sünder im Fernsehen vorführen, sondern auch Engländer, die Angehörigen einer traditionellen Kolonialmacht, und nicht einmal die Großmacht USA kann etwas dagegen ausrichten. Das ist die Botschaft ans eigene Volk.
Es stellt sich die Frage, was in der iranischen Gesellschaft geschehen ist, dass die Herrscher jetzt wieder zu solchen Mitteln greifen muss. Vielleicht liegt es ja daran, dass sich in sämtlichen Schichten der Bevölkerung eine tiefe Enttäuschung breit gemacht hat, dass keiner der Herrscher – von Chomeini, über den sogenannten Pragmatiker Rafsandschani, den angeblichen Reformer Chatami bis zum heißzüngigen Ahmadinedschad, der sich als „Mann aus dem Volk“ aufspielte, in der Lage war, ihre alltäglichen Probleme zu lösen. Arbeitslosigkeit, Hungerlöhne, die staatliche Einmischung ins Privatleben – es hat sich nichts gebessert.
31 March 2007
Festnahme in Kurdistan
Gestern, Freitag, den 30.3.2007, hat der iranische Geheimdienst Edris Khalighi festgenommen. Edris Khalighi ist ein kurdischer Schriftsteller in Mahabad, einer bekannten Stadt in iranisch-Kurdistan.
Bereits im letzen Jahr wollte Khalighi am Jahrestag zum Gedenken an Qazi Mohammad eine Veranstaltung durchführen, für die er keine Genehmigung erhielt. Aus diesem Grund sind er und seine Freunde zum Grab von Mohammad gegangen, wo sie alle festgenommen wurden. Später wurden sie gegen eine hohe Kaution freigelassen.
Qazi Mohammad war der erste kurdische Staatspräsident, der im Jahr 1946 die Republik Mahabad ausrief. Im Rahmen der Zerschlagung der Republik wurde er von der iranischen Armee unter Reza Shah gefangen genommen und wegen Aufruhr und Hochverrat zum Tode durch den Strang verurteilt.
Staatliche Parolen im Iran als Instrument der Außen- und Innenpolitik
Die letzten Tage fand zwischen den zwei iranischen Fußballmannschaften Esteghlal und Pers Polis ein Spiel statt. Wenn die Zuschauer das Stadion betreten wollten, mussten sie staatliche Parolen widergeben. Im Stadion hat die Regierung überall ihre eigenen Leute (Hisbollah) verteilt, die den Auftrag hatten, immer wieder diese Parolen zu rufen aber die Zuschauer haben nicht mitgemacht sondern haben eigene Parolen für ihre jeweilige Lieblingsmannschaft gerufen.
Keine Angst
Die iranische Regierung hat keinerlei Angst vor dem Krieg, Menschrechte zu verletzten, von den USA bombardiert zu werden, die iranische alte Kultur zu vernichten, die Menschen in der Öffentlichkeit einfach hinzurichten... Das iranische Volk hat keine Angst ihr Leben im Strassenverkehr zu verlieren.
Können Sie zählen, wieviele Menschen in dieses Fahrzeug rein bzw. raufpassen?
13 March 2007
Verschwundener Aliresa Asgari: Gerüchteküche im Westen, tödliches Schweigen im Iran
Vize-Verteidigungsminister verschollen
Wie die iranische Webseite Baztab am 11. und 12. März 2007 (20. und 21. Esfand 1385) in mehreren Artikeln berichtet, gilt der ehemalige stellvertretende Verteidigungsminister des Irans und einer der Kommandanten der Revolutionswächter Aliresa Asgari weiterhin als verschwunden.
Während er laut Angaben seiner Ehefrau am 8. Dezember 2006 noch mit ihr telefonisch in Kontakt war, sei der Kontakt danach abgebrochen.
Die Ehefrau bestätigt, dass ihr Mann über Damaskus nach Istanbul geflogen sei. In Damaskus war er angeblich mit dem Handel von Oliven und Olivenöl beschäftigt.
In Istanbul habe er sich im Hotel Jeyran niedergelassen (AdÜ: das dem iranischen Geheimdienst zugerechnet wird) und sei dann verschwunden.
Auffällig ist, dass die staatlichen iranischen Nachrichtenagenturen bislang über das Verschwinden geschwiegen haben und erst jetzt - wie die Nachrichtenagentur Fars - beginnen, Interviews mit den Angehörigen zu führen. Dabei versuchen sie teilweise, den zeitlichen Ablauf zu vernebeln, damit man nicht merkt, dass die Nachricht schon älter ist.
Auch die übrigen Angaben in Baztab sind recht widersprüchlich.
Einmal ist Aliresa Asgari 63 Jahre alt, nach Angaben der Familie nur 43.
Im Ruhestand sei er deshalb, weil er seit dem 18. Lebensjahr gearbeitet habe.
Einmal schreibt Baztab von einem "ehemaligen Angestellten des Verteidigungsministeriums", an anderer Stelle wird deutlich, dass es sich um den ehemaligen Vizeverteidigungsminister handelte.
Einer Version zufolge soll er sich vor vier Jahren zur Ruhe gesetzt haben, nach Angaben der Familie vor zwei Jahren.
Offensichtlich haben sich die staatlichen Stellen wenig Mühe gegeben, die Widersprüche zu klären und ihre Glaubwürdigkeit so zu erhöhen, denn solche Widersprüche finden sich z.T. in ein und demselben Artikel.
Als Gründe für das Verschwinden werden verschiedene Thesen gehandelt:
So soll Aliresa Asgari in den 1980ern und 1990ern im Libanon der Leiter der iranischen Pasdaran im Libanon und einer der Begründer der Hisbullah im Libanon gewesen sein. Die libanesische Hisbullah soll den entführten israelischen Piloten Ron Arad gegen eine erkleckliche Summe an den Iran "verkauft" haben. An dessen Befreiung hat Israel Interesse.
Die Ehefrau des Verschwundenen versucht zwar, Verdachtsmomente in dieser Richtung mit den Worten auszuschließen: "Wir haben nie im Libanon gelebt." Sie hütet sich aber, näher zu bezeichnen, wer mit "wir" gemeint ist - vielleicht sie mit ihren Kindern.
Die zweite These betrifft das Geschehen im Irak: Die Unterstützung iranischer Institutionen für bewaffnete Gruppen im Irak ist bekannt und es mag sein, dass die US-Regierung ein Interesse an Informationen über die iranischen Hintermänner dieser Gruppen hat. Hier lohnt sich ein Blick auf die Reihenfolge: Am 8. Dezember 2006 ist Aliresa Asgari in Istanbul "verschwunden".
Am 10. Januar 2007 haben US-Truppen die iranische Vertretung in Erbil gestürmt, einige wichtige Pasdaran-Führer (Sepah-e Qods) in der iranischen Vertretung verhaftet, anschließend gab es fast 600 Verhaftungen unter den bewaffneten Anhängern des irakischen Schiitenführers Moqtada Sadr. Dieser ist seitdem untergetaucht.
Die dritte These betrifft das iranische Atomprogramm: Nach einigen Versionen soll Aliresa Asgari Informationen hierüber mitgenommen haben und um Asyl in den USA ersucht haben.
Es heißt auch, dass er auf einem NATO-Stützpunkt in Deutschland vor einigen Wochen hierzu Erklärungen abgegeben habe.
Das iranische Regime scheint wohl den Eindruck erwecken zu wollen, dass ein angeblicher Asylantrag von Aliresa Asgari Teil der westlichen Propaganda sei und Asgari seelisch und körperlich gefoltert werde, um dann vor den laufenden Kameras internationaler Medien diverse Vorwürfe gegen den Iran zu erheben - ganz in dem Stil, wie die iranische Regierung Interviews mit "Reuigen" im Gefängnis aufbaut.
Die Tatsache, dass die Familie sich jetzt an die türkische Botschaft in Teheran gewandt hat und zu diesem Anlass auch Vertreter der iranischen Staatsmedien anwesend waren, spricht dafür, dass dieses Vorgehen der Familie vorher mit den iranischen Behörden abgesprochen war.
So bedankte sich die Ehefrau ausdrücklich für die Bemühungen des iranischen Außenministeriums, die allerdings erfolglos geblieben seien, weil ihr Mann immer noch nicht aufgefunden sei.
Auch legen die veröffentlichten Fotos den Verdacht nahe, dass diese Interviews unter der Aufsicht von Geheimdienstvertretern erfolgten.
Auffällig ist, dass die Ehefrau von Aliresa Asgari, Ziba Ahmadi, keinen arabisch-islamischen Namen hat, sondern einen persischen, zu Deutsch: "Die Schöne".
Wäre Aliresa Asgari ein fanatischer Hisbullahi, hätte seine Frau den Namen wohl kaum behalten können.
Die Fotos, die die staatliche Nachrichtenagentur Fars von der Familie in Teheran aufgenommen hat und in Baztab veröffentlicht wurden, sind auch in dieser Hinsicht auffällig:
So sieht man zwei im schwarzen Tschador gekleidete Frauen neben Ziba Ahmadi stehen, bei denen es sich möglicherweise um Polizistinnen handelt, möglicherweise hat man Ziba Ahmadi aus dem Gefängnis hierher geführt.
Der Bruder von Aliresa hat im Gesicht über der linken Augenbraue eine längliche, verschorfte Wunde, direkt neben ihm steht ein Typ, der wohl vom Geheimdienst ist. Auch der Bruder wurde evtl. aus dem Gefängnis hergebracht.
Auch die Wortwahl von Ziba Ahmadi in den amtlichen Interviews ist beachtenswert. Sie sagt, ihr Mann sei in Sachen Oliven- und Olivenölhandel in Syrien tätig gewesen ("be amr tejarat-e zeytun wa ghouran-e zeytun dar Suriye mashgul bud").
"Be amr" klingt nach Buchsprache, also einem Text, den man vorbereitet hat, damit sie ihn liest.
Daraus kann man wohl schließen, dass die Regierung eher ein Überlaufen befürchtet und die Verwandten verhaftet hat.
Ein Hinweis hierauf ist auch der Zeitpunkt des Ruhestands. Nach Angaben anonymer Quellen der Regierung, die in Baztab zitiert werden, soll Aliresa Asgari vor vier Jahren in den Ruhestand getreten sein, nach Angaben seiner Frau vor zwei Jahren.
Vor zwei Jahren ist Ahmadineschad Präsident geworden. Damals haben seine Schutzherren die Anhänger von Chatami in den wichtigen Ministerien ausgewechselt und durch eigene Leute ersetzt.
Dies spricht dafür, dass Aliresa Asgari zu denjenigen gehört, die mit der Regierung Ahmadineschad unzufrieden sind.
Insofern hat Baztab wider willen einen treffenden Titel gefunden, wenn sie von einem "tödlichen Schweigen" der iranischen Regierung spricht.
Zusammenfassung: 13.3.2007
07 March 2007
Iran: Ein Blick hinter den Vorhang
Am 6. März 2007 haben sich die Vertreter der Lehrerinnen und Lehrer aus dem ganzen Iran zum zweiten Mal in der vergangenen Woche vor dem Parlament in Teheran versammelt. Sie forderten ein Treffen mit den Abgeordneten. Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur IRNA haben rund 3000 Lehrerinnen und Lehrer in Vertretung für ihre Kollegen im ganzen Land eine friedliche Kundgebung abgehalten, in der sie die Einführung des Beamtentarifs auch für die Lehrkräfte forderten. Auf der Kundgebung waren Plakate mit diversen Parolen zu sehen, so z.B.: „Der unfähige Minister soll zurücktreten!“ oder „Wenn unser Problem nicht gelöst wird, bleiben die Schulen geschlossen.“ oder „Kein Volk hat je ein so ehrloses Parlament gesehen.“
Zusätzlich zur Kundgebung vor dem Parlament kam es auch in einer Reihe von iranischen Städten zu Demonstrationen vor der lokalen Behörde des Kultusministeriums, auf denen die Lehrkräfte höhere Löhne sowie eine Festanstellung und Versorgung mit Wohnraum forderten. Die Demonstranten in Teheran kündigten an, das nächste Mal würden sie gemeinsam mit ihren Schülern vor dem Parlament erscheinen. Zum Abschluss der Kundgebung bedankten sie sich sogar bei den zahlreich eingesetzten Sicherheitskräften, dass sie die Demonstranten in Frieden gelassen hatten, statt sie zu verprügeln.
Am 7. März erschienen die Arbeitervertreter der Elektronik-Firma Damawand sowie der von ihr abhängigen Unternehmen sowie die Arbeitervertreter der Holzfabrik Taleqan gleichfalls vor dem Parlament und beschwerten sich über die ausbleibenden Lohnzahlungen.
In derselben Woche haben die 12.000 Arbeiter des landwirtschaftlichen und Nahrungsmittel verarbeitenden Konzerns „Sherkat-e Kesht wa Sanat-e Karun-Shushtar“ im Süden Irans wegen des über zweimonatigen Ausbleibens ihres Lohns und ihrer Zuschläge gestreikt.
Tagtäglich gibt es überall im Iran solche Demos und Streiks, die weder in den einheimischen noch in den ausländischen Medien ihren Niederschlag finden – mit Ausnahme der Webseiten und Radiosender der Opposition im Ausland.
Im Vorfeld des 8. März haben viele iranische Frauengruppen beantragt, am Tag der Frau eine Veranstaltung durchführen zu dürfen, bis heute aber keine Erlaubnis erhalten. Um Angst und Panik unter den Frauen zu verbreiten und zu verhindern, dass sie am 8. März zahlreich auf der Straße erscheinen und demonstrieren, wurde das Islamische Revolutionsgericht wieder aktiviert. Am 4. März wurden fünf Frauen, die im letzten Jahr an Kundgebungen für die Gleichberechtigung der Frau teilgenommen hatten, vor Gericht gestellt. Aber die anderen Frauen ließen sich dadurch nicht abschrecken und versammelten sich zu einer Solidaritätskundgebung vor dem Gerichtsgebäude. Die Regierung gab den Befehl zum Angriff, worauf vierzig Frauen verhaftet und in den politischen Trakt 209 des Ewin-Gefängnisses gebracht wurden. Die Verhafteten erklärten den Hungerstreik. Hierauf organisierten Studentinnen an verschiedenen Hochschulen – der Hochschule Teheran und der Sozialwissenschaftliche Hochschule – Versammlungen und Podiumsdiskussionen zur Unterstützung der Verhafteten. Die iranischen Frauen scheinen entschlossen, den 8. März trotz aller Repressalien zu feiern.
Während der letzten zwei Wochen sind die Gegensätze zwischen den Anhängern von Ahmadineschad und seinen Gegnern immer deutlicher zu Tage getreten. Selbst das Parlament, das sich vorwiegend aus radikalen Hisbollahis zusammensetzt, hat eine Vorladung des Kultusministers angeordnet, damit er dem Parlament Rede und Antwort steht, ein erster Schritt zu einem erzwungenen Rücktritt. Das Kultusministerium hatte es fertig gebracht, eine Prüfung für Lehrer zu erstellen, auf der die Lehrer allen Ernstes eine Antwort auf die Frage geben sollten, was der Unterschied zwischen einem Hahn und dem Propheten (Mohammad) sei.
Nicht nur dies: Die Abgeordneten sind entschlossen, Ahmadineschad vor das Parlament zu zitieren und ihn wegen seiner politischen und wirtschaftlichen Leistungen ins Kreuzverhör zu nehmen.
Die Konflikte in der Stadtverwaltung von Teheran haben ihren Höhepunkt erreicht. Der Teheraner Oberbürgermeister Qalibaf, der Nachfolger von Ahmadineschad in diesem Amt und einer seiner Gegenkandidaten bei den letzten Präsidentschaftswahlen, bei denen Ahmadineschad „siegte“, soll Gerüchten zufolge laut Anweisung des religiösen Führers Chamenei den Präsidenten Ahmadineschad bald in seinem Amt ablösen. Qalibaf war selbst einer der führenden Kommandanten der Pasdaran. Er hatte sich auf seinen Inlands- und Auslandsreisen gegen die Politik von Ahmadineschad ausgesprochen.
Nun, da das Parlament, Qalibaf, Ajatollah Sane’i und viele andere Ajatollahs offen gegen die Politik von Ahmadineschad opponieren, hat Rafsandschani, der es stets verstanden hat, sein Mäntelchen in den Wind zu hängen, sich in Interviews mit iranischen Journalisten nicht nur als Gegner der Politik und des Führungsstils von Ahmadineschad zu erkennen gegeben. Nach seinen Worten hat die 9. Regierung (unter Ahmadineschad) die Zeit vergeudet und ihre Aufgaben – namentlich im Wirtschaftsbereich – nicht erledigt. Es sei an der Zeit, dass der Rat zur Wahrung der Interessen des Systems auf den Plan trete, um von der Regierung ultimativ zu verlangen, die Bestimmungen des islamischen Grundgesetzes umzusetzen.
Seit Ahmadineschad in einer seiner Reden erklärt hat, dass der „Atomzug“ der iranischen Republik keine Bremse mehr habe, weil die Bremse gerissen sei, und dass er auch keinen Rückwärtsgang mehr habe, weil man ihn ebenfalls fortgeworfen habe, reißt die Kritik der iranischen Intellektuellen und selbst einfacher Menschen auf der Straße nicht mehr ab. So meinte Ahmad Shirzad, ein iranischer Kernphysiker, der selbst im vorigen Parlament als Abgeordneter vertreten war, süffisant in einem Artikel: „Wenn ein Zug keine Bremse hat und der Weg bergab führt, wird er immer schneller und die Fahrt endet in einer Katastrophe. Jedes Fortbewegungsmittel, selbst die alten Ochsenkarren, selbst die zweirädrigen Wägen vor 2000 Jahren und die Kutschen – sie alle waren im Notfall irgendwie in der Lage, zu stoppen (…). Anscheinend ist der einzige Zug, bei dem keine Bremse eingebaut wurde, der iranische Atomzug, dessen Zugführer angeblich Ahmadineschad ist. Und da er auch keinen Rückwärtsgang besitzt, ist er dazu verurteilt, den falschen Weg bis zum bitteren Ende zu durchlaufen.“
Das Budget für das kommende Haushaltsjahr (2007/8) betrifft, das Ahmadineschad dem Parlament vorgelegt hat, ist heftig umstritten. Um es abschnittsweise zu verabschieden, müssen mindestens 195 Abgeordnete (von insgesamt 288) im Parlament anwesend sein. In den letzten Tagen wurde die Mindestzahl nie erreicht. Bis zum 21. März, dem iranischen Neujahrsfest, müsste das Budget spätestens verabschiedet sein, damit die Regierung über einen gültigen Haushalt verfügt.
Khaled Mashal, der Führer der Hamas, wurde in den letzten Tagen von Ahmadineschad im Iran empfangen. Er konnte sich über eine angekündigte Finanzspritze von über 100 Millionen Dollar freuen. Dies löste im Iran einige Empörung aus. Auf der Straße und in den Basaren wird zu diesem Anlass gern das persische Sprichwort zitiert: „Das Licht, das das Haus erleuchtet, hat in der Moschee nichts verloren.“ Sprich: Es ist keine gute Tat, anderswo als Wohltäter erscheinen zu wollen, wenn man für seine eigenen Leute nicht gesorgt hat.
In der letzten Woche ist ein bekannter iranischer Mafiosi namens Shahram Jazayeri, der in erster Instanz zu 27 Jahren Gefängnis verurteilt worden war und im Gefängnis auf die Revisionsverhandlung wartete, aus dem Iran geflohen, als er gerade aus dem Gefängnis ausgeführt wurde. Vor seiner Flucht hatte er dafür gesorgt, dass seine Eltern und seine eigene Familie schon im Ausland waren. Die Flucht hatte im Iran ein derartiges Aufsehen erregt, dass Ajatollah Shahrudi, das Oberhaupt der Justiz, drei Richter und den Direktor des Ewin-Gefängnisses absetzte und die Beamten verhaften ließ, die die Flucht von Shahram Jazayeri ermöglicht hatten. Shahram Jazayeri hatte auf der Gerichtsverhandlung der ersten Instanz nur ein paar Geheimnisse über die iranische Wirtschaftsmafia gelüftet und in seinen Aussagen auch angegeben, wie viel Geld er an Ajatollah Chamenei, an Ajatollah Karrubi (den damaligen Parlamentssprecher) und an andere Ajatollahs gezahlt hatte. Er hatte damit gedroht, auszupacken, falls man ihn zum Tode verurteile. Im Volk wird gemunkelt, dass Ahmadineschad, der in den Wahlen einen energischen Kampf gegen die Korruption versprochen hatte, selbst für die Flucht von Shahram Jazayeri gesorgt hat, damit nicht noch mehr über die iranische Wirtschaftsmafia an die Öffentlichkeit dringt.
05 March 2007
Interview über Belutschistan (auf Persisch)
Download (ram, 45 min)
28 February 2007
Ex-Vize-Verteidigungsminister angeblich in Türkei verschwunden
http://www.baztab.ir/news/61776.php
9. Esfand 1385 / 28. Februar 2007
Ehemaliger Vize-Verteidigungsminister angeblich in Türkei verschwunden
Wie die iranische Webzeitung Baztab am 28. Februar (12:18 Teheraner Ortszeit)
unter Berufung auf die saudiarabische Zeitung al-Watan (ohne nähere Quellenangabe)
berichtet, soll Aliresa Asgari, der ehemalige Stellvertreter des früheren Verteidigungsministers Schamchani (Shamkhani), für den in Istanbul ein Zimmer im Hotel "Gilan" reserviert wurde, verschwunden sein.
Aliresa Asgari war im iranischen Verteidigungsministerium mit wichtigen Geheimaufgaben betraut, wie Baztab schreibt.
Er war von Damaskus nach Istanbul geflogen und soll dort verschwunden sein.
Die iranische Zeitung schließt eine Beteiligung des US-amerikanischen oder israelischen Geheimdienstes nicht aus.
Aus dem Iran ist ein Ermittlerteam in die Türkei geflogen, um die türkischen Behörden zu unterstützen.
Anmerkung, Ali Schirasi:
Aliresa Asgari gehörte zur oberen Führungsebene der Pasdaran und spielt im Geheimdienst des iranischen Verteidigungsministeriums eine wichtige Rolle.
Das Hotel "Gilan" in Istanbul ist ein bekannter Stützpunkt des iranischen Geheimdienstes.
In den Ausgaben von www.al-watan.com vom 28.2.2007 bis zum 25.2.2007 einschließlich war unter der
Rubrik min al-xaarij (aus dem Ausland) nichts zu finden.
21 February 2007
Wenn Wölfe Kreide fressen
In der Zeit vor der Islamischen Revolution von 1979 im Iran gehörten die Mojahedin-e Khalq (Volksmudschahedin) zu jenen Organisationen, die gegen die Schahregierung kämpften. Nach dem Sieg der Revolution und der Machtergreifung Ayatollah Chomeinis kam es zu einer Spaltung in die Volksmudschahedin und die Mudschahedin der Islamischen Revolution (Mojahedin-e Enqelab-e Eslami). Während die Volksmudschahedin Anschläge auf das neue Regime verübten, begannen die abgespaltenen Mudschahedin der Islamischen Revolution den bewaffneten Arm von Chomeinis Regierung aufzubauen - die Pasdaran (Revolutionswächter). Chomeini ließ sie gewähren, soweit sie seinen Zielen nützlich waren, beförderte sie aber nicht in Spitzenpositionen. Die Mudschahedin der Islamischen Revolution spielten eine wichtige Rolle in der Zwangsislamisierung der islamischen Gesellschaft und der blutigen Verfolgung der Schahanhänger sowie linker und liberaler Gruppierungen. Viele Hinrichtungen gehen auf das Konto der Mudschahedin der Islamischen Revolution.
Nach dem Tod Chomeinis (im Juni 1989) begann die islamische Geistlichkeit, den Einfluss der Mudschahedin der Islamischen Revolution zu beschneiden. Dies führte dazu, dass diese fanatischen Anhänger Chomeinis sich allmählich zu Kritikern des Regimes wandelten und sich später den sogenannten Reformern anschlossen.
Mitte Februar 2007 ist diese Organisation, die Mudschahedin der Islamischen Revolution, nun mit einer bemerkenswerten Erklärung an die Öffentlichkeit getreten. Die Erklärung wendet sich übrigens an das "iranische Volk", nicht an die Regierung von Ahmadinejad. Darin heißt es, dass der Iran nach der Verabschiedung der Resolution 1737 des UN-Sicherheisrats wegen seiner Nuklearpolitik und seiner "unvernünftigen und teilweise abenteuerlichen Politik" nach dem Ablauf der gesetzten Frist von zwei Monaten in eine gefährliche Lage gerate.
"Die für die gegenwärtige ungesunde Politik Verantwortlichen und Inhaber der politischen Gewalt versuchen sogar, mit der Parole von der "illegalen Resolution" zu verhindern, dass die öffentliche Meinung den Text und den Inhalt derselben erfährt", heißt es weiter in der besagten Erklärung.
Schließlich fordern die Mudschahedin der Islamischen Revolution, nachzugeben und die Bedingungen der Resolution zu erfüllen.
Es steht zu erwarten, dass sich auch die anderen Gruppierungen, namentlich die Anhänger von Rafsandschani und von Chatami, dieser Forderung anschließen werden.
51
- 60
|
Suche
March 2008
Sun |
Mon |
Tue |
Wed |
Thu |
Fri |
Sat |
|
|
|
|
|
|
1
|
2
|
3
|
4
|
5
|
6
|
7
|
8
|
9
|
10
|
11
|
12
|
13
|
14
|
15
|
16
|
17
|
18
|
19
|
20
|
21
|
22
|
23
|
24
|
25
|
26
|
27
|
28
|
29
|
30
|
31
|
|
|
|
|
|
About
Blog des iranischen Schriftstellers Ali Schirasi http://www.alischirasi.de
Ali Schirasi wurde 1940 in einem kleinen Dorf nahe Teheran geboren. Mit 16 wurde er Grundschullehrer; später qualifizierte er sich an der Pädagogischen Hochschule zum Oberstufenlehrer für Mathematik. Er bereitete auch Schüler auf die Aufnahmeprüfung zur Universität vor.
1962 nahm er am ersten landesweiten Lehrerstreik teil und sammelte politische Erfahrungen, um gemeinsam mit anderen Lehrern eine Lehrergewerkschaft aufzubauen. Wegen seiner politischen Aktivitäten wurde er 1975 unter dem Schah zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, jedoch auf Intervention des Internationalen Roten Kreuzes 1978 freigelassen. Nach Khomeinis Machtergreifung wurde er 1983 wieder aus politischen Gründen inhaftiert. Nachdem er sich aus dem Ewin-Gefängnis retten konnte, gelang ihm 1987 die Flucht aus dem Iran.
Heute lebt er als freier Schriftsteller in Deutschland und tritt mit zahlreichen Lesungen, Vorträgen und Veranstaltungen an die Öffentlichkeit. Von ihm sind mehrere Bücher auf Deutsch und Persisch erschienen. Sein jüngstes Buch - "Steinregen" - umfasst u.a. die Erzählung "Hoffnungen ohne Ende", die im April 2002 mit dem Ingeborg-Drewitz - Literatur-Preis ausgezeichnet wurde.
Neueste Einträge
Categories
Archives
Syndicate this site (XML)
RSS/RDF 0.91
|